Demokratie endet – gerade in der Krise – am Werkstor

Pablo Hörtner

In der Debatte um eine bessere Gesellschaft fallen Begriffe wie Partizipation und solidarische Ökonomie. Doch im Kapitalismus regiert der Profit. Das Sagen hat meist, wer das Geld hat. ÖGB-Bürokratie und ehemalige Linke haben sich mit dieser Realität abgefunden. Gleichzeitig kann gerade die Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment dazu führen, dass sich Viele von den etablierten Parteien abwenden und sich die politische Auseinandersetzung stärker auf die betriebliche Ebene verlagert. Das war beispielsweise in der Argentinien-Krise (1998-2002) oder auch nach Abflauen der 68er-Bewegung der Fall. In Österreich fand diese Debatte in den Gewerkschaften insbesondere in den 1970er Jahren statt – beeinflusst durch Austrokeynesianismus und den Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit. Doch lassen sich durch mehr Mitbestimmung im Betrieb überhaupt nachhaltige Verbesserungen in Arbeit & Wirtschaft erreichen? Könnten dadurch gar Arbeitslosigkeit & Lohndumping effektiv bekämpft werden? Diese Debatte zieht sich durch die gesamte Geschichte der ArbeiterInnenbewegung.

Für revolutionäre MarxistInnen ist die herrschende Demokratie ein Faktor im weltweiten Kampf für eine sozialistische Gesellschaft. Ein entschlossener Kampf für mehr Entscheidungsmöglichkeiten im Betrieb wird schnell an die Grenzen der kapitalistischen Wettbewerbslogik stoßen. In Argentinien gab es einige interessante Fälle von Fabriksbesetzungen und Übernahmen durch die ArbeiterInnen. Doch das Mehr an betrieblichen Mitbestimmungsmöglichkeiten entpuppte sich schnell als Farce und wurde bald wieder reduziert. Wenn den ArbeiterInnen ein Mitspracherecht bei Kündigungen oder bei der Höhe der Löhne eingeräumt wird, kann das gerade in Krisenzeiten dazu führen, dass ein Betrieb schließen muss, weil die "skrupellose Konkurrenz" billiger & schneller produziert. Schließlich ändert betriebliche Demokratie nichts an der Logik des kapitalistischen Systems und seinen Gesetzmäßigkeiten. Wer diesen "Sachzwängen" aber nachgibt und bei "kleinen" Reformen wie gesunden Kantinen, sicheren & ergonomischen Arbeitsplätzen, höheren Zulagen etc. stehenbleibt, arrangiert sich letzten Endes meist mit der kapitalistischen Verwertungslogik – und landet beim Kuschelkurs von ÖGB & Co.

Andere ziehen aus der beschränkten betrieblichen Demokratie den Schluss, dass der Klassenkampf wieder auf eine höhere Ebene ausgeweitet werden muss. Betriebliche Auseinandersetzungen werden zu gesamtpolitischen Kämpfen. Auseinandersetzungen im Betrieb heben das Bewusstsein unter den ArbeiterInnen und können in Verbindung mit revolutionärer systemkritischer Aufklärungsarbeit zur Überwindung jener Einstellung beitragen, die Lenin als "gewerkschaftliches Bewusstsein" bezeichnete. "Der wirtschaftliche Kampf des Proletariats verwandelt sich in der Epoche des Zerfalls des Kapitalismus viel schneller in einen politischen Kampf, als dies im Zeitalter der friedlichen Entwicklung des Kapitals geschehen konnte. Jeder große wirtschaftliche Zusammenstoß kann die Arbeiter unmittelbar vor die Frage der Revolution stellen." (Leitsätze über die Gewerkschaftsbewegung, die Betriebsräte und die Kommunistische Internationale, II. KI-Kongress 1920)

 

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