Betteln: Armut ist strafbar

Spirale aus Mythen und Hass entlädt sich auf BettlerInnen
Helga Schröder

Die Polizei füttert die Medien mit Legenden, Vermutungen und ungenauen sowie vermischten Fakten. Medien nehmen das auf, verfälschen und vermischen weiter und provozieren rassistische Reaktionen. Die Wiener Polizei versieht Verwaltungsstrafakten mit roten Stempeln mit dem Schriftzug „BETTLER“, macht „Bettlerstreifen“ und führt „Bettlerkarteien“. Die Wiener Linien machen „Bettlerrazzien“.

Immobilienspekulanten profitieren neben Luxussanierungen und Dachgeschoßausbauten auch von der Schaffung überteuerter Massen-Elendsquartiere. Die BewohnerInnen werden dann gleich zur „Bettelmafia“ und ihre Elendsquartiere zu deren „Hochburgen“. Das führt dazu, dass die rechte Hetze gegen „Zigeuner“ in der Öffentlichkeit aufgegriffen wird. Übergriffe und Bedrohungen sind die Folge. Dass es eine wachsende Zahl von völlig verarmten ÖsterreicherInnen gibt, wird ignoriert.

Die Debatte flammt – losgelöst von Fakten – regelmäßig auf. Vor den Salzburger Festspielen wurde versucht, die Stadt von Armut zu „säubern“ und als Rechtfertigung für Repression gegen Armutsbetroffene dienten konstruierte Bilder von „organisiertem“ oder „aggressivem“ Betteln, die in Gesetze übernommen werden und polizeilicher Willkür freien Raum lassen. Der unbestimmte Begriff des „organisierten“ Bettelns kriminalisiert Menschen, die Fahrgemeinschaften bilden, sich Elendsquartiere teilen oder einfach gemeinsam unterwegs sind. Es wird davon abgelenkt, dass Armut in den Herkunftsländern ein Resultat von Sozialabbau und Privatisierungen ist, wovon auch österreichische Banken und Konzerne wie z.B. die EVN massiv profitieren. Besonders in Südosteuropa entstand so Massenarmut, die Menschen zum Betteln zwingt. Eine Lösung gibt es nur, wenn leistbare Wohnungen, mehrsprachliche Beratungseinrichtungen, Sozialleistungen und ein Mindestlohn, von dem man leben kann, für alle zur Verfügung stehen, unabhängig von Herkunft, Nationalität oder Aufenthaltsstatus. Und wenn Gewerkschaften endlich international den Kampf gegen Sozialabbau und Privatisierungen aufnehmen.

 

 

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