Aktionsplan für das Sozial- und Gesundheitswesen

SLP-Stellungnahme

Es ist schlimm und wird schlimmer:

Im Sozial- und Gesundheitsbereich ist Feuer am Dach: Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, die KollegInnen arbeiten zu lange, zu viel. Es fehlt an Personal und die Dienstgeber rechnen damit, dass die KollegInnen einspringen, um die PatienInnen und KlientInnen nicht im Stich zu lassen. Burnout und massive Gesundheitsprobleme bei den Beschäftigten sind die Folge.

Hinzu kommt noch, dass die Bezahlung in diesem Bereich auch nicht gerade berauschend ist. „Es ist ja eine schöne Arbeit, mit Menschen“ reicht aber nicht, um die Miete etc. zu bezahlen. Nulllohnrunden bzw. Abschlüsse im Bereich der Inflation reichen nicht, um die steigenden Lebenserhaltungskosten abzudecken.

Es ist ein vielfältiger Bereich, in Spitälern und Pflegeeinrichtungen (privat und öffentlich), in Behinderteneinrichtungen (formal privat, aber abhängig von öffentlichen Geldern), stationär und mobil, mit Kranken, Behinderten, Kindern oder alten Menschen.

Und die Situation wird immer schlimmer. Denn die Wirtschaftskrise, die gerade in die nächste Runde geht, verschärft den Sparterror der Herrschenden noch. Und die Erfahrung hat gezeigt – Kürzungen gibt es ganz besonders bei Gesundheit und Sozialem, während die Reichen und die Unternehmen nicht zur Kasse gebeten werden.

Die Probleme sind vielfältig und die Beschäftigten haben lange Listen über die Missstände. Zusammengefasst sind es letztlich: zu wenig Personal und zu wenig Geld.

Doch nicht nur die Beschäftigten leiden unter dieser Situation, sondern auch die PatientInnen, KlientInnen, die zu betreuenden Menschen. Immer länger sind die Wartezeiten, auf einen Arzttermin, eine Operation, eine Behandlung. Wenn das Personal fehlt bzw. überarbeitet ist, leidet die Betreuung darunter. Menschen werden zur Nummer, anstatt dass individuell auf die Bedürfnisse eingegangen werden kann.

Und ein weiteres Opfer dieser Situation sind die Angehörigen – meistens Frauen, aber auch viele tausende Kinder und Jugendliche – die einspringen müssen, wenn bei der professionellen Pflege gekürzt wird.

Der Hintergrund ist die Spar- und Kürzungspolitik der Regierung. Während Milliarden für Banken und Konzerne da sind, erleben wir inzwischen seit Jahrzehnten Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich. Ein Blick auf die Reichtümer in Österreich zeigt, dass es keine „objektive Notwendigkeit“ für den Sozial-Kahlschlag gibt: Die reichsten 82.000 Menschen in Österreich besitzen zusammen 139 Milliarden Euro – und heuer soll dieses Vermögen um 7 % wachsen.

 

Höchste Zeit für Widerstand

Es ist höchste Zeit, die Wut, die es überall gibt, endlich in Widerstand zu verwandeln. In der Steiermark gab es mit der Plattform 25 große Demonstrationen. In Oberösterreich gab es Streiks bei ProMente, Exit Sozial sowie bei den Ordensspitälern. In Salzburg haben die Beschäftigten gegen die geplante Nulllohnrunde zweimal de facto gestreikt. In jüngster Zeit gab es große Proteste in Wien durch die SpitalsärztInnen. In Salzburg hat sich mit CaREvolution eine neue Initiative von Beschäftigten gebildet, die eine Gehaltserhöhung auch des Pflegepersonals im Ausmaß von 30% fordert. Auch in Kärnten, Tirol und Oberösterreich tut sich einiges. Auf Facebook gibt es unzählige Initiativen, die zeigen, dass es gärt.

Diese Wut gilt es zusammen zu fassen. Forderungen müssen gemeinsam diskutiert werden. Eine Kampfstrategie ist notwendig. Und die Erfahrungen von Protesten, die es schon gab, müssen bilanziert und Schlussfolgerungen für die kommenden gezogen werden. Denn Widerstand und auch Arbeitskämpfe sind auch im Sozial- und Gesundheitsbereich möglich und können reale Verbesserungen erkämpfen. Im größten Lehrkrankenhaus Europas, der Berliner Charité, haben die KollegInnen durch entschlossene Streikmaßnahmen Lohnerhöhungen und bessere Verträge erreicht! In Salzburg wurde durch de facto wilde Streiks eine Nulllohnrunde verhindert. In Irland haben JungärztInnen durch einen entschlossenen Streik Verbesserungen erkämpft. Eine wichtige Erfahrung bei allen Kämpfen ist: wir dürfen die Hinhaltetaktik der politisch Verantwortlichen nicht mehr mitspielen. Wir sind bereit zu verhandeln, aber wir lassen uns nicht durch ewig-lange Verhandlungsspielchen vom Kämpfen abhalten.

 

Wie können wir ein Ende der Angriffe und endlich Verbesserungen erreichen?

Die Grundbestandteile des Erfolges sind: Gemeinsam kämpfen – demokratisch organisieren – Solidarität organisieren – keine faulen Kompromisse

 

Wie kann das erreicht werden?

1) Bildet Betriebs- und Aktionsgruppen:

KollegInnen in einem Betrieb, einer Einrichtung, einer Abteilung können sich zusammenschließen. Das können dauerhafte Betriebsgruppen, in denen sich ein Team längerfristig herausbildet, ebenso sein wie Aktionsgruppen im Rahmen eines konkreten Arbeitskampfes, die bestimmte Aufgaben übernehmen - zum Austausch von Informationen und zur Organisation von Aktionen. Gewählte VertreterInnen wie Betriebsräte und PersonalvertreterInnen können ein Teil davon sein, doch es geht auch um „normale“ KollegInnen.

2) Österreichweite Aktionskonferenz:

Vernetzung mit Betroffenen in anderen Betrieben, anderen Bundesländern – hierzu könnte eine österreichweite Aktionskonferenz ein wichtiger Schritt sein. Hier können Forderungen und Kampfschritte besprochen und Erfahrungen bilanziert werden. Wenn die Gewerkschaften eine solche organisieren und die betroffenen KollegInnen dabei auch selbst zu Wort kommen ist es gut, doch wenn die Gewerkschaften weiter bremsen, dann können wir ein solches Treffen auch selbst organisieren.

3) Nach außen gehen:

Die Probleme und den Widerstand sichtbar machen: durch Fotoaktionen wie von CaREvolution kann gezeigt werden, wie viele KollegInnen sich anschließen. Durch Flugblätter, Betriebszeitungen und Aushänge können PatientInnen/KlientInnen informiert werden. Web 2.0 ist ein wichtiges Instrument, kann aber nicht das Einzige bleiben – die „alte“ Papierform ist die Grundlage für direkten Kontakt, Diskussionen und damit neue AktivistInnen. Durch Pressekonferenzen kann ein Forderungskatalog bekannt gemacht werden. Durch Öffentliche Betriebsversammlungen kann die Kampfbereitschaft gezeigt werden. An einer Öffentlichen Betriebsversammlung aber auch einer Demonstration können sich auch PatientInnen/KlientInnen, Leute aus der Region, anderen Betrieben und alle, die solidarisch sind, beteiligen – die Isolation der Beschäftigten kann so verhindert werden. Es gibt viele Formen, uns sichtbar zu machen – wichtig ist bei allen, dass wir es nicht ein paar Leuten überlassen, das für uns stellvertretend zu machen, sondern uns alle beteiligen!

4) Solidarität organisieren:

Die Opfer der Kürzungspolitik sind Beschäftigte und PatientInnen/KlientInnen. Letztlich leiden alle – außer jenen, die sich teure Privatversicherungen leisten können – unter dem Sparen. Die Erfahrung zeigt, dass es hier viel Solidarität und Verständnis für Aktionen der Beschäftigten gibt. Laden wir sie ein, zu unseren Betriebsversammlungen zu kommen. Laden wir sie ein, Solidaritätskomitees zu gründen. Laden wir sie ein, Kampfmaßnahmen aktiv zu unterstützen.

5) Alle Zusammen:

Aktuell sind die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich in vier Gewerkschaften aufgesplittert (GdG, GÖD, Vida, GPA) – das schwächt. Diese Kräfte müssen gebündelt werden. Die formalen Strukturen des ÖGB müssen den Notwendigkeiten angepasst werden, die Beschäftigten können ein effizientes Netzwerk auch über Fachgewerkschaftsgrenzen hinweg, und auch unter Einbeziehung von Unorganisierten, aufbauen.

6) Transparenz statt Geheimverhandlungen:

Verhandlungen mit Behörden, Wirtschafts- und UnternehmensvertreterInnen müssen von den Beschäftigten (z.B. via Videoübertragung) mitverfolgt werden können. Geheimverhandlungen dienen nur dazu, die Belegschaft zu spalten und damit die Gegenseite nachher bereits gemachte Zugeständnisse leugnen kann. Über Verhandlungsergebnisse muss abgestimmt werden. Und: wir lassen uns nicht erpressen. Kein Aussetzen von Kampfmaßnahmen für Verhandlungen – im Gegenteil: Kampfmaßnahmen sind die besten Argumente in den Verhandlungen.

7) Kämpfen ist nötig, unverantwortlich sind die PolitikerInnen:

Wann immer sich Beschäftigte im Sozial- und Gesundheitsbereich wehren, kommt die Politik rasch mit dem Argument der „Unverantwortlichkeit“. Doch wenn sich die Beschäftigten auf die Füße stellen, dann weil sie genau wissen, dass es so nicht weiter geht – das ist gut für jene, die in diesem Bereich arbeiten, und jene, die darauf angewiesen sind. Unverantwortlich ist die Kürzungspolitik von Unternehmen, Betreibern und Politik.

8) Streiken ist möglich:

Das nächste Totschlagargument ist, dass Streiken in diesem Bereich nicht möglich wäre. Ja, ein Notbetrieb mag punktuell nötig sein. Doch 1) kann in weiten Bereichen natürlich gestreikt werden und 2) können die Betroffenen sich auch selbst aktiv an den Protesten beteiligen.

9) Gemeinsam entscheiden:

Die Beschäftigten selbst wissen am besten, was nötig ist in Bezug auf Personal, Dienstpläne und Bezahlung. Sie wissen am besten, ob ein Kampf möglich ist oder nicht. Sie müssen daher über alle nächsten Schritte bzw. die Zustimmung oder Ablehnung zu Angeboten entscheiden.