Über Flüchtlinge in Poysdorf, Widerstand und Solidarität

Thomas Hauer

Anfang Juli war es endlich soweit. Nachdem man seit einer gefühlten Ewigkeit die unmenschlichen Zustände mitverfolgt, in denen Menschen auf der Flucht im Flüchtlingslager Traiskirchen untergebracht sind, beginnt die Gemeinde Poysdorf im nördlichen Weinviertel ihren Beitrag zu leisten, um diese Situation zu entlasten. Acht Männer aus Syrien kamen in einem privat zur Verfügung gestellten Haus unter. Die Männer wollten bei dem Morden in ihrer Heimat nicht mitmachen und sind geflüchtet, da sie sonst in die syrische Armee eingezogen und direkt in den Kampf geworfen worden wären. Ein Flüchtling beschrieb die Situation in Syrien so: „Es gibt keine Seite für die man kämpfen kann, denn hier kämpft Böse gegen Böse.“ Nachdem die neuen Nachbarn der PoysdorferInnen in den ersten Tagen vom Großteil der Bevölkerung ziemlich unbemerkt blieben (es gab keine öffentliche Informationen), wurde eine Handvoll engagierter und hilfsbereiter PoysdorferInnen auf sie aufmerksam. Diese hilfsbereiten Leute sind fast alle bei der SPÖ bzw. Volkshilfe engagiert. Sie gründeten die Initiative `Menschen helfen Menschen` und sind seitdem mit den acht Syrern in engen Kontakt. Die Initiative sammelt für die Flüchtlinge Geld- und Kleiderspenden, gibt ihnen die Möglichkeit deutsch zu lernen, hilft ihnen bei Amtswegen, fährt mit ihnen gemeinsam zur Rechtsberatung und organisiert günstige Lebensmittel. Sie hat auch schon mehrere andere hilfsbereite Menschen angezogen durch die z.B. ein Gemeinschaftsfeld bereitgestellt wurde auf dem die Flüchtlinge selbst Gemüse anbauen können und in einer Nachbargemeinde spielen die meisten von ihnen bereits beim Fußballverein mit. Es wurden auch acht Fahrräder gespendet, die den Männern eine gewisse Mobilität geben. Trotz dem Leid, dass sie mitmachen mussten und der Sorge um ihre Familien (zwei von ihnen haben Frau und Kind, die sie vorerst zurück lassen mussten) sind sie froh, mit dieser guten Betreung hier zu sein.

Die Stimmung in der Bevölkerung ist insgesamt eher zwiegespalten und mit Ängsten, Vorurteilen und Misstrauen erfüllt. Das ist aber kein Wunder, da wir alle die schrecklichen Bilder aus Traiskirchen kennen und haufenweise Lügen und Schauermärchen über Facebook und Internet verbreitet werden. Zusätzlich wurde noch eine Facebookseite namens `Bürgerinitiative gegen das geplante Asylzentrum in Poysdorf` gegründet. Die Betreiber dieser Seite bleiben anonym, es ist aber davon auszugehen, dass sie zumindest in einem Nahverhältnis zur ortsansässigen FPÖ steht. Wie auf allen solchen und ähnlichen Seiten werden die üblichen Geschichten verbreitet und Gerüchte zur lokalen Situation gestreut. Durch die hohe Facebookpräsenz der Leute von `Menschen helfen Menschen`und einigen UnterstützerInnen werden diese aber richtig gestellt, erklärt oder zerstreut. Dadurch wurde den Betreibern der Seite und ihren SympatisantInnen ziemlich schnell der Wind aus den Segeln genommen. Wo am Anfang noch täglich neue Postings kamen, wurden diese aber immer weniger und wirkten mit der Zeit auch immer hilfloser. Wirklich konstruktive Meldungen sind von den 'KitikerInnen' nie gekommen und offene Fragen an die `Bürgerinitiative`selbst, wurden nie beantwortet. Dafür wurden Postings von FlüchtlingsunterstützerInnen, die informativ waren und von positiven Erfahrungen mit den Poysdorfer Flüchtlingen berichteten, gelöscht.

Der Schwachpunkt dieser Unterstützungskommentare und so gut wie alle Unterhaltungen über dieses Thema, auf Facebook oder sonstwo, ist, dass sie nur an die Menschlichkeit (was ja an sich positiv ist) appelieren. Die Angst und der teilweise schon Hass auf die Flüchtlinge wird aber hauptsächlich ausgelöst von real existierenden Poblemen. Wir haben immer weniger Geld zum Leben, Wohnen wird immer teuer, die Gesundheitsversorgung wird immer schlechter, die Belastungen und der Druck am Arbeitsplatz steigen immer mehr, kurz gesagt: unser Lebensstandard sinkt immer mehr, berechtigte Zukunftsängste machen sich breit. Daran sind aber keine flüchtenden Menschen schuld die bei uns Schutz suchen, sondern eine herrschende Elite, die in Politik und Wirtschaft sitzt und so mit den Fäden der Macht in der Hand, für die eigene Tasche arbeitet. Diese Sichtweise auf die sozialen Probleme und ihre wahren VerursacherInnen muss in die öffentliche Diskussion einfließen. Auf die bürgerlichen Medien kann man sich dabei leider nicht verlassen, weil sie so das ganze System, das sie in Wirklichkeit verteidigen, in Frage stellen müssten. So ist es aber für die rechten HetzerInnen ein leichtes, soziale Themen aufzugreifen und die Schuld dem schwächsten Teil der Gesellschaft aufzubürden. Das birgt auch die Gefahr, dass bei einem neuerlichen Anwachsen der Krise, Teile der momentanen UnterstützerInnen der Flüchtlinge, auf den `das Boot ist voll`-Zug aufspringen. Das sieht man aktuell bei manchen, die auch schon einen Unterschied zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen machen. Ein Mensch der Gefahr läuft erschossen oder niedergebomt zu werden, ist anscheinend sympatischer als einer der vor Hunger verreckt. Dabei sind aber weder die Menschen die vor Krieg, noch jene die vor Hunger fliehen, verantwortlich für die Situation in ihren jeweiligen Heimatländern, sondern alleine lokale und westliche (bzw. nördliche) Profit- und Machtinteressen der Herrschenden (zu denen auch die österreichische Wirtschaft gehört).

Profitgier ist auch der Grund für die wachsenden Probleme in Österreich und Europa. Anstatt Geld in Gesundheit und Pflege zu investieren, werden Milliarden in Bankenrettungen versenkt. Anstatt Geld in sozialen Wohnbau zu investieren, werdem teure Eigentums- und Genossenschaftswohnungen gebaut. Was noch perverser ist: alleine in Wien stehen ca. 80.000 Wohnungen leer und dienen als Spekulationsobjekte. Anstatt Löhne die zum Leben reichen, bekommen wir jedes Jahr nur mickrige Lohnerhöhungen und immer mehr Leute kommen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

Zurück zu Poysdorf. Anfang August sind zwei der Syrer einer Einladung der SLP gefolgt, zu einer Diskussionsveranstaltung über zu wenig und überteuerten Wohnraum in Österreich. Dabei waren sie unter anderem bestürzt und überrascht zugleich, dass es auch in einem reichen Land wie Österreich einstürzende Häuser gibt, so wie es die letzten Jahre in Wien vorgekommen ist, weil sich anscheinend die Eigentümger nicht für die Gebäudewartung verantwortlich fühlen. Eine Woche zuvor, in der Ortsgruppe ging es ums Thema Flüchtlinge und was zu tun ist, konnten sie leider nicht mitkommen, da in einer Nachbarortschaft fünf junge Syrer angekommen sind, und die Neopoysdorfer gleich bei der Begrüßung und Erstbetreuung mithalfen.

`Menschen helfen Menschen` hat mittlerweile eine Vielzahl an hilfsbereiten Menschen angezogen, die mit Spenden und teilweise durch aktive Unterstützung mithelfen. Ein besonders engagierter Mann, Stephan Schweigl, der selbst schon Sachspenden gesammelt und diese selbst, mit Essen und Trinken, nach Traiskirchen brachte, hat vor kurzem die acht Syrer aus Poysdorf organisiert. Gemeinsam, mit ein paar HelferInnen, haben sie für die Flüchtlinge in Traiskirchen gekocht und am Sonntag vorort ca. 120 Mahlzeiten verteilt. Ca. 300 Menschen wurden mit Sachspenden versorgt. Außerdem konnte durch ein Posting von ihm, dass sich den Weg durchs Internet bahnte, die in Oberösterreich lebende Mutter eines Flüchtlingsmädchen, dass momentan mit ihrem Vater in Traiskirchen ist, gefunden werden. Jetzt wird versucht mit den Behörden einen Weg zu finden, die Familie zusammenzuführen und eine gemeinsame Unterkunft zu finden. Und gerade wurde von Stephan eine Facebookseite namens `Menschlichkeit`gegründet, die das Ziel hat alle HelferInnen zu vernetzen und Hilfe besser zu organisieren.

In Tagen wie diesen, in denen die Medien von den schrecklichen Bildern aus Traiskirchen und den Kriegsgebieten beherrscht werden, in denen der österreichischen Regierung von Amnesty International ein Armutszeugnis ausgestellt wird, erwärmen solche Episoden das Herz. Es zeigt, wie groß die Solidarität in Teilen der Bevölkerung ist und wie es mit wenig Freizeit und begrenzten Mitteln möglich ist, Menschen in Not zu helfen, wo daneben eine komplette Regierung versagt bzw. bewußt nichts tut um die Stimmung gegen Flüchtlinge zu schüren. Es soll auch die restliche Bevölkerung motivieren zu helfen und ihren möglichen Teil zu leisten.

Aber auch wenn sich immer mehr Menschen engagieren und es für manche Familien ein Happy End geben wird, wird das nichts am Elend des Großteils der Flüchtlinge ändern. Schon gar nicht im Angesicht der Flüchtlingsströme die noch auf uns zukommen. Auf die Politik, die Schuld daran ist, dass die Situation so eskalieren konnte, muss Druck aufgebaut werden, damit diese unmenschlichen Zustände endlich beendet werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Dazu müssen klare Forderungen ausgearbeitet und aufgestellt werden. Diese könnten mittels Unterschriftenlisten übergeben werden. Noch besser wären öffentliche Kundgebungen und eine Demonstration zum Innenministerium, gemeinsam mit unterstützenden Gruppen und natürlich mit Flüchtlingen.

Jeder Flüchtling ist ein potentieller Arbeitnehmer, ein Kollege. Deshalb muss auf den ÖGB von unten Druck ausgeübt werden, damit dieser endlich aktiv wird und sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt. Bis jetzt hat man von der Gewerkschaft nicht viel bis gar nichts gehört zu diesem Thema. Auch wenn einige GewerkschafterInnen privat sehr für die Flüchtlinge engagiert sind, muss der ÖGB endlich eine klare Stellung einnehmen und seine Solidarität mit den Flüchtlingen erklären. Wenn die Gewerkschaftsoffiziellen Angst haben, dass eine offene Unterstützung der Flüchtlinge bei manchen Mitgliedern nicht gut ankommt, dann haben die BürokratInnen nicht verstanden, dass soziale Themen welche die ÖsterreicherInnen betreffen und die Not der Asylsuchenden zusammenhängen. Anstatt hier nach Meinungsumfragen zu schielen (die offensichtlich die Entscheidungsgrundlage für die Gewerkschaftsspitze sind) muss die Gewerkschaft über alle ihre Kanäle (Aussendungen, Betriebsversammlungen, in ihren Zeitungen) hier Informieren, Aufklärungsarbeit leisten und der Mitgliedschaft zeigen, dass es um gemeinsame Interessen geht! Soziale Kämpfe, wie eben der der Flüchtlinge und z.B. aktuell im Pflegebereich, müssen zusammengeführt werden. Durch ein breiteres, geschlossenes Auftreten wächst die Solidarität und macht größere Erfolge machbar.

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Davon kann sich aber der Großteil der hier lebenden Menschen (egal ob Flüchtlinge oder nicht) aber nichts kaufen, weil der Reichtum ungerecht aufgeteilt ist. Beschäftigte, Erwerbslose und auch Flüchtlinge müssen gemeinsam für leistbaren Wohnraum, Erhöhung des Mindestlohns, eine drastische Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn und für freien Zugang zum Arbeitsmarkt für Asyl suchende Menschen kämpfen. Denn wenn AsylwerberInnen nicht arbeiten dürfen, werden sie durch Geldsorgen in Schwarzarbeit getrieben. Das nützt Unternehmen, schadet `österreichischen` ArbeitehmerInnen und ist somit wieder ein gutes Spaltungsintrument der Herrschenden.

Hilfe und Unterstützung für Flüchlinge zu organisieren ist eine wichtige Arbeit und dringend notwendig, wenn wie aktuell alle Behörden die Situation nicht in den Griff bekommen (wollen). Jedoch muss den Flüchtlingen auch die Möglichkeit geschaffen werden, selbst zu Wort zu kommen und sich zu organisieren. So kann schneller und direkter Kontakt zur Bevölkerung hergestellt werden und durch Selbstorganisation können sie vielleicht selbst die Rolle von HelferInnen übernehmen. Viele Flüchtlinge haben ein normales Leben geführt, gearbeitet, studiert. Alle haben viel Leid erlebt. Wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, können sie sicher selbst viel erzählen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit uns teilen.

Was man an dieser riesigen Welle an Hilfsbereitschaft und Solidarität, die gerade durchs Land rollt, sieht, ist dass `der Mensch` an sich nicht schlecht ist. Dieses System, dass uns Egoismus lehrt und aufzwingt, hat uns emotional noch nicht komplett entstellt. Wir sollten uns die Menschheit, von den paar schlechten Bespielen die ins Auge stechen, nicht kaputt machen lassen. Denen gegenüber steht eine breite solidarische Masse. Wir sind bereit, und es ist schon höchste Zeit, dieses System hinter uns zu lassen und für eines zu kämpfen, dass auf Solidarität und Zusammenhalt basiert. Nicht nur in Österreich und in Syrien, sondern weltweit. Deshalb möchte ich hier und jetzt und solange die Erde sich dreht, die Internationale Solidarität aller Unterdrückten und Ausgebeuteten hoch leben lassen!